30  Nusplinger Plattenkalk

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Bis vor einigen Jahren hat man die Bildungsdauer des Nusplinger Plattenkalks mit Vergleichen der Ablagerungsdauer von Kalk in heutigen Gewässern berechnet. Nun hat sich jedoch herausgestellt, dass der Nusplinger Plattenkalk überwiegend durch die kalkskeletttragende Goldalge aufgebaut wurde, die es heute noch gibt. Wenn die heute lebende Emiliania Huxleyi mit ausreichend Nährstoffen versorgt wird, so kann sie in nur zehn Tagen 0,5-1cm Kalksediment produzieren. Neuere Erkenntnisse zur mikroevolutionären Artenbildung zeigen zudem, dass die Artenvielfalt der fossilen Meerestiere im Nusplinger Plattenkalk in wenigen Jahrzehnten entstehen konnte.



Schnelle Kalkbildung:

Der Nusplinger Plattenkalk besteht überwiegend aus Gehäusen von Goldalgen (Coccolithophoriden). Diese im Meer schwebenden winzigen Algen (Nanoplankton) scheiden eine "Rüstung" in Form von ringartigen Gehäuse-Schilden (Coccolithen) aus Kalk ab.

Die Goldalgen bildeten die Nahrungsgrundlage der im Wasser schwebenden Klein-Seelilien (Saccocoma). Mehr oder weniger zerfallene Klein-Seelilien sind im Nusplinger Plattenkalk fein verteilt, während ihre Reste in den dicken Bänken eine Hauptkomponente bilden.

Die Klein-Seelilien konnten sich bei ausreichendem Nahrungsangebot massenhaft vermehren und dienten mehreren Ammoniten-Gattungen als Nahrung. Diese drei Lebensformen (Goldalgen, Klein-Seelilien und Ammoniten) bildeten eine bedeutsame Nahrungskette. Goldalgen und Klein-Seelilien traten massenhaft auf und wurden zu Gesteinsbildnern, während die Ammoniten die mit Abstand häufigsten Wirbellosen-Fossilien im Nusplinger Plattenkalk bilden (1).

Das Tempo der Sedimentation im Nusplinger Plattenkalk war so rasch, dass Belemniten schief oder sogar senkrecht eingebettet werden konnten. In verschiedenen Schieferebenen sind tote Fische eingebettet, die ebenfalls sehr schnell verschüttet wurden: So schnell, dass sie nicht verwesen konnten.


Gigantische Algenblüten:

Heutige Goldalgen erzeugen im Sommer in kühleren Meeresregionen sog. Algenblüten und können dabei Meeresflächen von bis zu 100'000km2 einnehmen. Von Algenblüten spricht man bei mehr als 1'000 Zellen pro Milliliter Wasser. Unter diesen Bedingungen verdoppeln sich die Algen etwa alle 8,5 Stunden. Im Extremfall kann eine solche Algenblüte eine Fläche von der Grösse Englands bedecken und gut 100 Tonnen Kalk produzieren.






Algenblüte im Atlantik: 

Eine Algenblüte im Altantischen Ozean.




Schnelle Artenbildungen:

Die einzigen Lebewesen, die sich im Nusplinger Plattenkalk über verschiedene Schichtfolgen stetig verändern, sind die Ammoniten. Angeblich soll die mikroevolutionäre Entwicklung der Ammoniten von Schichtfolge zu Schichtfolge in der Vergangenheit beträchtlich langsamer abgelaufen sein, als das von heute lebenden Arten bekannt ist.

Die Studien, die der Biologe David Reznick und sein Team an Kleinfischen (Guppys - Poecilia reticulata) aus räuberreichen und räuberarmen Gewässern durchgeführt hat, zeigen bereits nach 18 Generationen selektiv bewirkte gestaltliche Veränderungen (2). Damit haben sie sich bis zu 10 Millionen Mal schneller entwickelt, als dies von den Fossilreihen behauptet wurde.

Schnelle Artenbildung wurde auch unter (enormem) Umweltstress festgestellt. Zum Beispiel bei Pflanzen, die sich auf schwermetallverseuchten Bergwerkshalden befinden (3), oder bei Mäusen, die Umweltgiften ausgesetzt waren (4).

Ein weiteres Beispiel für mikroevolutionäre Entwicklung sind die artenreichen Buntbarschfaunen im Malawisee, die in den vergangenen lediglich 200 Jahren entstanden sind. Dazu haben gestörte Umweltbedingungen wie die nachgewiesenen Austrocknungsphasen des Sees beigetragen, wobei es unter verschiedenartigen Selektionsdrücken bei Stammformen mit sehr vielseitigem Erbgut (genetische Polyvalenz) immer wieder zu neuen Gründerpopulationen gekommen ist (5).


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(1)  Manfred Stephan, Zur Bildungsdauer des Nusplinger Plattenkalks, Studium Integrale, April 2003, S. 12-20, http://www.wort-und-wissen.de/index2.php?artikel=sij/sij101/sij101-2.html

(2)  David N. Reznick, Frank H. Shaw, F. Helen Rodd und Ruth G. Shaw, Evaluation of the rate of evolution in natural populations of guppies (Poecilia reticulata), Science 275, 28. März 1997, S. 1934-1937.

(3)  Reinhard Junker, Prozesse der Artbildung, in S. Scherer (HG)´s "Typen des Lebens", Berlin, 1993, S. 31-45.

(4)  Silvia Garagna, Maurizio Zuccotti, Carlo Alberto Redi und Ernesto Capanna, Trapping speciation, Nature 390, 20. November 1997, S. 241-242.

(5)  J. Fehrer, Explosive Artbildung bei Buntbarschen der ostafrikanischen Seen, Studium Integrale 1997/4, S. 51-55.

(Bild „Algenblüte im Atlantik”)  http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Algal_bloom_20040615.jpg



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